2. Etappe: Meilsen - Undeloh, 32km



Um 5.45 Uhr klingelte heute mein Wecker. Ich hab grundsätzlich ganz gut geschlafen, ab 3.15 Uhr war ich allerdings jede Stunde wach.
Nachdem ich mich gestern Abend beim Abendessen wie eine 70 jährige fortbewegt habe, hatte ich ehrlich gesagt große Bedenken, was den heutigen Tag anging.
Umso überraschter war ich heute Morgen, dass ich nur noch ein bisschen Po und ein bisschen Nacken hatte. Ansonsten fühlte ich mich fit und auch meine Beine taten gar nicht weh!
Nach dem Frühstück ging es heute um 7.20 Uhr los.
Und wie es los ging!
Für meinen Papa galt heute Morgen offenbar das Motto "wo nicht glatt ist, kann gelaufen werden!". Er spurtete los, als gäbe es etwas zu gewinnen!
10 Minuten später, begegnete uns eine ältere Dame, die uns fragte ob wir den 500,-€ Schein schon gefunden hätten!
Etwas verständnislos schauten wir sie an, als sie erklärte, da vorne würde ein Aushang am Baum  hängen, es wäre hier ein 500,-€ Schein verloren gegangen und wenn man ihn findet möge man sich bitte melden.
Wir waren wohlgemerkt auf einem Spazierweg, wer verliert denn da einen 500,-€ Schein? Mein Papa bemerkte treffend:"Hier ist ja noch nicht mal ein Kiosk, wieso macht da jemand sein Portmonee auf und dann fliegt der Geldschein da einfach so raus? Das ist doch mysteriös!".
 Das war es in der Tat, trotzdem hielt ich ein bisschen die Augen auf, schadet ja nix, begegnet ist uns der lila Schein aber nicht.
Wir marschierten durch Buchholz und wenn ich marschieren schreibe, meine ich auch marschieren! Es ging die ganze Zeit auf Asphalt entlang (kein schönes Gehen für die Füße!).
Bis wir dann endlich wieder auf Waldboden wanderten, da legte Papa dann eine seichtere Gangart ein und mir wurde klar: er hatte schnell die Asphalt Strecke hinter sich bringen wollen.
Nun wurde es also gemütlicher und es startete wieder die heimische Pflanzenkunde - ich lerne echt eine Menge.
Es lagen viele Tannenzapfen auf dem Weg und mein Papa schaute auf die Zapfen und sagte:"Das Wetter hält sich noch!"
Ich:"Und das hast du jetzt an den Zapfen gesehen oder was?"
Er:"Ja klar! Wenn die Zapfen geöffnet sind bleibt es noch schön, sind die Zapfen zu, wird das Wetter schlecht!"
Wozu kaufen sich da manche Menschen noch eine Wetterstation? Einfach einen Zapfen nach draußen (in den Schatten!) hängen und schon weiß man immer wie das Wetter wird!
Wieder Geld gespart.
Bereits um halb zehn merkte man das es heute ein sehr warmer Tag wird. Ich fing unter meiner Wetterjacke so das schwitzen an, dass ich auch schnell was trinken musste um den Flüssigkeitshaushalt in meinem Körper im Einklang zu halten. Wir wanderten und ich trank und trank - Papa trank nichts! Und ich begann natürlich mir Gedanken zu machen.
Nun kenn ich Papa auch schon lange genug, dass ich weiß das er auf gute Ratschläge gerne verzichtet. Also versuchte ich es anders:"Also man merkt ja schon das es heute sehr heiß wird!" Er:"mmhhhh!" Ich:"ich muss sagen, dadurch das ich ständig was trinke, geht es mir wirklich gut. Und für den Fall das die 2 Liter ausgetrunken sind, kauf ich mir in Handeloh eben Nachschub."
Er trank nichts.
Um halb zwölf war mein Papa fix und alle und musste sich ausruhen. Nachdem er dann endlich was getrunken hatte und sich wieder erholt hatte, schwenkte ich nun doch auf die Erklärbär-Methode um und versuchte ihm begreiflich zu machen, wie wichtig es ist zu trinken!
Ich machte mir wirklich Sorgen, gerade auch weil wir weg von jeglicher Zivilisation mitten in der Pampa waren und ich mich fragte, was ich tun sollte, wenn sein Kreislauf absackt!
Zum Glück zeigte meine Ansprache Wirkung, wenn er auch immer noch weniger trank als ich, wenigsten überhaupt was.
Nach 1,5 Stunden quälten wir uns auf den Brunsberg (129m und wehe hier lacht jetzt einer, ich hatte 12 Kilo auf dem Rücken.).
Um halb eins erreichten wir Handeloh.
Dort machten wir erst mal eine halbe Stunde Pause und ich spürte da schon jeden Knochen.
Um eins ging es weiter nach Wesel. Der Weg ging durch einen wunderschön, verträumten, kleinen Waldweg. Es war wirklich super idyllisch!
Nach 2 Stunden waren wir raus aus dem Wald und dann ging es über Asphalt nach Wesel. Die Strasse erinnerte mich an die Route 66 in Amerika, eine schnurgerade Asphaltstraße die man weit über einen Kilometer überblicken konnte.
Wir wanderten und ich merkte wie mir der Asphalt die Kräfte raubte.
Die Sonne tat ihr übriges. So schön wie es auch ist, dass es nicht regnet, aber 26 Grad zum wandern auf Asphalt - ich geh kaputt!
Um 15.45 Uhr erreichten wir Wesel, von da aus waren es noch 8km bis nach Undeloh. 
Ich brauchte eine Pause, wollte mich einfach nur noch irgendwo hin setzen und mich ausruhen. Die nächste Sitzmöglichkeit war ein Bushäuschen.  
 Wir saßen da, ich aß etwas und hoffte wieder zu Kräften zu kommen, doch Fehlanzeige!
Die Füße taten mir so weh, das ich nicht mehr auftreten wollte, meine Schultern brannten vor Schmerz vom Rucksack. Mein Papa schaute mich an und sagte:"ich schau mal wann der Bus fährt!"
Ich:"nee, nee, ich werd gleich wieder!"
1 Minute später stand er vor mir und sagte:"In 5 Minuten fährt ein Bus!"
Ich:"und wann fährt dann wieder einer?"(ich hoffte noch mich zu regenerieren!).
Er:"Heute keiner mehr!"
Mist!
Somit fiel bei mir die Entscheidung: Scheiss drauf, wir fahren jetzt mit dem verdammten Bus!
Der Bus kam und ich schleppte meinen Rucksack mit letzten Kräften zum Bus und hievte mich da irgendwie rein, am Busfahrer vorbei und presste hervor:"Ich......bezahl gleich.....der Rucksack......uff....Moment...!"
Er sah mich an, dann kam auch schon Papa und der Busfahrer sagte:"Ich hab schon abkassiert!"
Der Busfahrer hatte ob unseres Anblickes wohl so viel Mitleid, dass er uns umsonst hat mitfahren lassen!
Ich hätte fast geweint vor lauter Erschöpfung und Dankbarkeit über den Busfahrer!
In Undeloh schleppte ich mich die letzten Meter zum Hotel. Papa war deutlich besser zu Fuß als ich.
Unser Hotel hatte für uns ein Zimmer im EG und eins im 2. Stock (kein Fahrstuhl!). Sie fragte uns wer welches Zimmer möchte und ich sagte sofort:"ich nehm den 2. Stock!"
Papa:"Bist du sicher Nadine?"
Ich:"Ja, Du bist älter als ich und sollst nicht noch so viele Treppen laufen müssen nach dem heutigen Tag!"
Er hat es dankbar angenommen und ich hab mich die zwei Treppen förmlich hochgekämpft. Als ich es vor meine Zimmertür geschafft hatte, kämpfte ich mit den Tränen.
Nachdem ich aus den Wanderklamotten raus war, hab ich mich erstmal hingelegt.
Bestandsaufnahme heute: - ich habe nicht nur Po, ich habe ALLES, außer Blasen an den Füßen.
Wie ich so da lag kamen die Gedanken.
Du bist Bus gefahren! Du hast die Strecke heute nicht geschafft, dabei waren es nur 5km mehr als gestern und du bist heute somit sogar weniger gelaufen als gestern! Papa ist noch total fit, Du hältst ihn auf. Nur deinetwegen ist er Bus gefahren.
Ich fühlte mich, als hätte ich total versagt!
So lag ich auf dem Bett und sinnierte vor mich hin.
Nebenbei futterte ich einen Energieriegel um wenigstens überhaupt noch Kraft zum duschen zu haben.
Auch die ausgiebige Dusche brachte nur wenig Besserung.
Trotzdem zog ich mich wieder an und holte Papa zum Essen ab.
Als er mich sah sagte er:"Setz dich nochmal kurz hier hin, ich hab mir was überlegt! Schließlich soll das hier auch Spass machen und wir wollen dabei auch nicht kaputt gehen!"
Ich lächelte traurig und meinte das er ja noch total fit wäre und ich ihn doch nur aufhalten würde! Aber er beteuerte das er definitiv auch hatte kämpfen müssen und auch kaputt wäre.
Dann unterbreitet er mir seine Idee: anstatt morgen gleich den Heidschnuckenweg zu laufen, könnten wir den Europäischen Fernwanderweg nehmen, da der Heidschnuckenweg noch einen riesen Bogen macht. So würden wir morgen 6km einsparen und hätten "nur" 24km zu laufen.
"Der Weg ist das Ziel Nadine und wie der Weg am Ende heißt ist doch völlig egal! Wir beide sind völlig untrainiert und sind einfach auch ein bisschen blauäugig losgelaufen! Es geht doch darum, dass wir am Ende am Ziel ankommen und wenn wir anstatt 223km , 180km gehen oder wie viel auch immer, können wir trotzdem stolz auf uns sein! Und das können wir auch jetzt schon, weißt Du das wir mit gestern schon 51km zu Fuß gegangen sind?"
Das hat mich in der Tat aufgemuntert! Ist ja kein Wunder das mir alles weh tut: ich bin in 2 Tagen, 51km gegangen mit Gepäck!
Ob ich mich morgen überhaupt fortbewegen kann wird sich zeigen.
Natürlich möchte ich unbedingt wandern und auf keinen Fall Bus fahren. Ich will auf jeden Fall die Zähne zusammen beißen und kämpfen.
Aber falschen Ehrgeiz zum Nachteil meiner Gesundheit möchte ich auch nicht an den Tag legen. 
Warten wir es ab!
Gute Nacht!

Liebe Grüsse

Nadine 

Kommentare

  1. Oh man,Deine Zeilen berühren mich !!! LAUF NADINE, LAUF :) TSCHAKKA !!

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