Braunschweiger Hütte - Vent


Diejenigen von euch, die meinem Blog aufmerksam verfolgen, müssten schon bei der Überschrift stutzig geworden sein.
Denn eigentlich sollte ich mich heute auf der Martin-Busch-Hütte befinden, eigentlich! 
Was ist passiert? Ich berichte der Reihenfolge nach.
Gestern Abend, hatte ich definitiv meinen lustigsten Hüttenabend. Ich saß zuerst alleine am Tisch, als sich Jochen und Eberhard zu mir gesellten. Wenige Minuten später folgten Klaus und Josef. Wir kamen alle sofort ins Gespräch, es wurde viel gelacht an unserem Tisch, da Klaus (Jahrgang 50) und Josef (Jahrgang 48), viel aus ihrem Leben zu berichten wussten. Ich fand es ganz spannend, den Geschichten der beiden zu lauschen. Irgendwann fragten Sie mich, ob ich den E5 alleine lief. Ich bejahte und erzählte auch, dass ich bisher weder mit der Gondel,  noch Bus gefahren wäre. Alle am Tisch fanden das total toll. Dann erwähnte ich, dass ich vor der morgigen Etappe wirklich Respekt hätte, da es sich hierbei ja um einen schwarzen Weg handelt und in meinem Buch ist der Aufstieg und der Abstieg echt fies beschrieben. Sofort boten alle an mich morgen mitzunehmen. Jochen und Eberhard waren mir aber zu schnell. Das Angebot von Klaus und Josef nahm ich dankbar an! Ich war heilfroh, dass ich nicht alleine über das Pitztaler Jöchl musste.
Wir verabredeten als Start Morgens 8 Uhr.
Duschen konnten wir gestern auf der Hütte übrigens nicht. Die Duschen werden zur Zeit saniert. So müffelten wir alle fröhlich vor uns hin und es ist doch irgendwie schön zu sehen, wie egal uns das allen war! Das Hüttenessen war dafür der Kracher! Allgemein muss ich sagen, dass ich total Gefallen am Hüttenleben finde! Ich werde nächstes Jahr definitiv an den Wochenenden, die ein oder andere Hüttentour in Bayern machen! 
Nach einer unruhigen Nacht (ich schiebe das auf die Aufregung, denn im Zimmer war es ruhig und die Höhe machte mir auch nichts aus!), starteten wir wie verabredet um 8 Uhr.
Ich gebe zu, ich war ganz schön aufgeregt. Vielleicht hätte ich mich auch nicht so genau einlesen sollen, denn die beschriebene ausgesetzte Passage am sehr steilen Hang über 300 Meter die absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderte, lag mir echt im Magen. Genauso wie der steil beschriebene Aufstieg an Stahlketten und der ebensolche Abstieg.
Josef und Klaus sprachen ein paar ermutigende Worte und los ging es.
Sie nahmen mich in die Mitte, Klaus ging vor. Sein Wandertempo konnte ich absolut mithalten. Ich war selbst erstaunt, wie viel Luft ich hatte. So stiegen wir immer weiter auf, auf 2996m Höhe! Was soll ich sagen, ich fand den Aufstieg gar nicht schlimm. Ja, es war steil, ja man musste aufpassen wo man hintrat, aber wenn man achtsam einen Fuß vor den anderen setzte, ging das alles ganz hervorragend! 
Oben auf 2.996m angekommen, erklärte Klaus mir, wie die umliegenden Berge hießen. Wir waren umgeben von 3000dern, teilweise lag Schnee oben auf den Spitzen. Uns bot sich ein überragendes Panorama.




 Hinter uns folgte eine Gruppe Kinder, die die Alpenüberquerung als eine Therapie machten. Es waren zwei Therapeuten und ein ausgebildeter Therapiehund dabei (weißer Schweizer Schäferhund). Ein Traum von einem Tier! Er trug sein Futter selbst und überquert nun schon zum 4. Mal die Alpen. Außerdem ist er ausgebildeter Bergrettungshund. Irgendwie gab mir die Kombination aus Klaus, Josef und Meru (der Hund) Selbstvertrauen und so ging es an den Abstieg.
Meine Herren - das war der schwierigste Abstieg meines Lebens!!!
Ich wäre lieber noch 10 mal von der Braunschweiger durchs Pitztaler Jöchl alleine aufgestiegen, als da abzusteigen!
Das verlangte mir nun wirklich alles ab! Von Drahtseilen an abschüssigen Felsen, über in den Fels gehauene Stahlfusstritte, über rutschiges grobes Geröll. Ich hatte echt zu tun. Ich war so dankbar um die beiden Herren, das könnt ihr mir glauben. Zum Teil musste ich rückwärts den Berg runter, am Stahlseil und mir meinen Tritt suchen. Das war definitiv eine Grenzerfahrung für mich! Aber ich jammerte kein einziges Mal, ich blieb ruhig und konzentriert und lauschte den Anweisungen von Klaus und Josef! 
Als die Busstation, die uns durch den Rosi-Mitternaier Tunnel bringen sollte, in Sicht kam, machte sich meine Anspannung Luft, die ich bis dahin in mir getragen hatte. Ich war so glücklich und dankbar, diesen schwierigen Abstieg gemeistert zu haben, da konnte ich nicht verhindern und ich wollte es auch gar nicht, dass mir ein paar Tränchen über die Wangen rollten. Meru hat’s auch gemerkt, der kam zu mir und blieb für eine kurze Weile beruhigend neben mir stehen! 
Unten an der Busstation trafen wir Caroline. Sie macht den E5 ebenfalls alleine und biwackt zum Teil auch noch. Ihr Rucksack wiegt unglaubliche 18kg (ich würde nach hinten überkippen!). 
Wir warteten eine halbe Stunde auf den Bus. Die Fahrt dauerte 2 Minuten, dann konnten wir schon wieder aussteigen. 
Nun machten wir uns zu viert an den Abstieg über den Panorama Höhenweg nach Vent. Und der Weg machte seinem Namen alle Ehre! Wir hatten zudem noch fantastisches Wetter. Der Himmel war strahlend blau und die Sonne schien, der Schnee glitzerte auf den Bergen - einfach nur traumhaft. 


Hin und wieder erklärte Klaus uns, welche Berge uns umgaben. Außerdem erklärte er mir die Pflanzenwelt an der wir vorbei kamen. Das fand ich toll! Hat mich total an die Tour mit meinem Papa erinnert, der mir auch alles erklärt hat.
So weiss ich jetzt, wie Wacholder aussieht und wir haben rohe Preiselbeeren gegessen! 
Der Abstieg nahm und nahm allerdings kein Ende und meine Knie meldeten sich mal wieder. Ich bewunderte Klaus und Josef die offenbar völlig ohne Schmerzen absteigen konnten. Caroline sowieso, sie war super fit. So verging Stunde um Stunde und ab Stunde 3 konnte ich kaum noch, ich verzog schon schmerzhaft das Gesicht beim gehen und Caroline ging mir zudem noch mit ihrem ständigen Geplapper auf den Geist.
Ach, was hatte ich es schön ruhig die letzten Tage auf meinen Wanderungen und wieso muss man denn soviel reden? 
Ich wollte einfach die Natur genießen. Caroline wollte heute zur Martin Busch Hütte und sie wollte mit mir gemeinsam dahin! Während ich also über meine Knieschmerzen nachdachte und das Geplappere in meinen Ohren hatte, fasste ich einen Entschluss. Ich muss ja heute gar nicht bis zur Martin-Busch-Hütte! Ich kann da auch morgen hingehen und dann gehe ich eben übermorgen nach Südtirol! Denn ob ich nun morgen Südtirol erreiche, oder übermorgen, ist doch völlig egal! Die 1000 Stufen Schlucht, die ich in Meran noch machen wollte, ist ja kein „Muss“. Ich möchte die Alpen überqueren und da stehe ich nun kurz vor dem Ziel und bin mir sicher, dass werde ich jetzt auch schaffen, denn den schwierigsten Part habe ich heute hinter mich gebracht.
Nun teilte ich Caroline meine Entscheidung mit, sie fand das sehr bedauerlich (ich nicht so ;-)!) und Klaus und Josef freuten sich, das ich mit Ihnen in Vent bleiben wollte.
Der Abstieg dauerte noch eine weitere Stunde, ohne Caroline, die hatte dann mal Gas gegeben, damit sie noch bei der Hütte ankommt. 
Zusätzlich zu dem grandiosen Alpenpanorama von heute, war ein Steinadler unser Highlight. Den konnten wir in der Ferne beobachten und seine beachtliche Flügelspannweite war selbst von weitem gut zu erkennen.
Vent ist ein uriges kleines Örtchen, mit 150 Einwohnern (wenn du hier lebst und Geburtstag hast, lädst du wohl den ganzen Ort ein). 
Wieder mal habe ich ein schönes Hotel! Ich freute mich auf ein heißes Bad und um 18 Uhr wollten Klaus, Josef und ich dann essen gehen.  
So ging ich frisch kultiviert, in meiner Leggings, T-Shirt und Fleece Jacke (was anderes habe ich ja nunmal nicht mit!) ins Hotelrestaurant. Der Restaurantleiter sah mich, kam auf mich zu, strahlte und sagte immer wieder „wunderschön, wunderschön!“ (als hätte ich das kleine schwarze an!). Ich musste so lachen, bin ich mir doch in Leggings und T-Shirt nicht wirklich angemessen gekleidet vorgekommen, aber er war ob meines Anblicks offenbar ganz begeistert. 
Diese besondere Reise hat mich nun wirklich schon einiges gelehrt und auch wenn der Spruch „Kleider machen Leute“ in vielerlei Hinsicht zutreffen mag, so sollten wir doch das ein oder andere mal vielleicht nicht so viel Wert darauf legen, in was wir uns heute kleiden. Denn das schönste, was ein Mensch tragen kann, ist sowieso ein Lächeln ;-)! 
Ich weiß, eigentlich sollte dies ein Reiseblog sein, indem ich über meine Reiseerfahrung schreibe. Aber ich erlebe hier eben nicht nur Alpenpanorama und Bergübersteigungen, sondern mache währenddessen noch tolle Erfahrungen und gewinne Erkenntnisse! Und wenn ich einmal 80 bin, dann möchte ich meinen Blog lesen und mir alle Erinnerungen und Erlebnisse vor mein geistiges Auge rufen können, um dann darüber zu schmunzeln. Deswegen schreibe ich so detailliert, auch über die Randgeschichten, denn diese kleinen Dinge im Leben sind es doch, die am meisten Freude schenken.
Ich hatte einen wunderbaren Abend mit den beiden Herren. Ich wurde noch mit Tape Band für mein Knie versorgt und mit Kytta Salbe. Jetzt liege ich glücklich und sehr zufrieden in meinem Bett und freue mich morgen auf einen ganz entspannten Spaziergang zur Martin-Busch-Hütte, bevor ich mich am Samstag auf den Weg nach Südtirol mache, um dann sagen zu können „Ich habe die Alpen überquert!“

Viele liebe Grüße 


Eure Nadine 

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