Martin-Busch-Hütte - Vernagt

Das war definitiv meine schlimmste Nacht. Vor lauter Kopfschmerzen kam ich kaum in den Schlaf und wachte zwischendrin immer wieder auf.
Selbst am Morgen waren sie immer noch nicht ganz verschwunden.
Als ich aus dem Fenster sah, sah ich nichts. Die Berge waren verschwunden, wir steckten mitten in einer Wolke fest.
Unten im Frühstücksraum wurde was von „Schnee auf der Similaunhütte“ gemurmelt.
„Wunderbar!“ dachte ich, „du nimmst aber auch alles mit, Nadine!“
Und sogleich sprang mein Kopfkino an, ich sah  mich über vereistes Geröll stolpern und durch Schnee stapfen ;-)! 
Um 8 Uhr ging ich los. Es nieselte leicht und es waren auch nur 4 Grad. Ich war froh um meine Mütze und meine Handschuhe.

Meine Kondition war heute wieder auf normalen Niveau.
Der Aufstieg war als nicht ganz einfach beschrieben. 2 Stunden später, stand ich verdutzt vor der Similaunhütte, auf 3.019m! Ja, wie? Schon da? Ohne Schnee? Ohne Eis? War gar nichts los! Ich konnte es nicht glauben, ich hatte Südtirol erreicht und befand mich am höchsten Punkt meiner Reise! 





Sehr zufrieden genehmigte ich mir erstmal ein ausgezeichnetes Stück Pflaumenkuchen (kann man Morgens um 10 Uhr auch schon gut essen ;-)! ).
Danach machte ich mich an den 1350hm langen Abstieg. Auch dieser war in meinem Buch für die ersten 200hm als nicht einfach beschrieben - ich fand ihn, nach allem was hinter mir lag, sehr einfach! 
Auf meinem Weg nach unten, wurde ich von einem Mann überholt, der heute mit mir von der Martin-Busch-Hütte gestartet war. 
Ich wünschte ihm beim Überholen noch einen guten Weg.
Von Thomas, den ich an meinem ersten Abend auf der Kemptner Hütte getroffen hatte, wusste ich, dass man kurz vor Vernagt über eine Kuhweide musste. Er hatte mir die Warnung mitgegeben, diese zügig zu passieren, denn dort gebe es eine Kuh, die die Wanderer als lebende Lecksteine missbraucht und sehr penetrant ist.
45 Minuten später, sah ich den Mann wieder, der mich vorher überholt hatte. Ich betrat gerade die Kuhweide und dachte noch „Was macht der da? Zieht er sich da etwa um?“ 
Besagte Kuh war auf jeden Fall bei ihm. Ich kam näher und sah, wie die Kuh gerade eines seiner Hosenbeine futterte. Er hatte sich tatsächlich auf der Kuhweide die Hose kurz gezippt. Als ich das skurrile Paar fast erreicht hatte, spuckte die Kuh das Hosenbein gerade wieder aus und fing an, an seinen Beinen zu lecken! Ich fragte ob er Hilfe bräuchte, er lachte und meinte die Kuh spiele verrückt. Ich erzählte ihm, dass ich von der Kuh schon gehört hätte, da fing sie an seinen Rucksack zu fressen und biss eine Verschnürung ab. Er sagte zu mir:“Lauf schnell und sieh zu, dass du hier wegkommst!
Ja, klar, schnell laufen! Tag 11! Gerade 1200hm runter absolviert! Da ist bei mir nichts mehr mit schnell. Ich versuchte trotzdem die Beine in die Hand zu nehmen und sah gerade noch, wie die Kuh sich über seine Schuhe hermachte. Allerdings kam ich vor lauter lachen nun wirklich nicht mehr schnell vorwärts. Ich weiß, das klingt jetzt echt fies, aber dieses Bild, dass war einfach nur göttlich! 
Kurz unter der Alm, war eine Hütte, wo man Rast machen konnte. Ich bestellte mir ein Radler und 5 Minuten später kam Sascha - die Kuh hatte ihn nicht gefressen!
Er setzte sich zu mir und wir haben uns beide ausgeschüttet vor lachen.
Er fragte mich, wieso ich denn schon von dieser Kuh gehört hatte und ich erzählte ihm die Geschichte.
Er wollte sich einfach nur umziehen, weil es zwischenzeitlich so warm geworden war und hat sich dafür wirklich den ungünstigsten Moment ausgesucht! 
Nach und nach kamen andere E5ler an unseren Tisch. Wir erzählten uns unsere Geschichten und lobten uns alle gegenseitig für unsere Leistungen.
Und hiermit kann ich nun offiziell verkünden „Ich habe es geschafft! Ich habe zu Fuß die Alpen überquert!“ 
So ganz ist dieses Gefühl noch nicht zu mir durchgedrungen. Ich kann noch gar nicht richtig glauben, dass ich es tatsächlich gemeistert habe! 
War ich mir doch vor der Reise selber gar nicht zu 100% sicher, ob ich es schaffen würde! 
Ein Freund von mir, hat eine Postkarte in seiner Küche hängen. Darauf steht:“Alle sagten das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s einfach gemacht!“ 
Damit möchte ich nicht sagen, dass jeder die Alpen überqueren kann. Kondition und Bergerfahrung braucht es meiner Meinung nach schon. Für mich spiegelt diese Karte wieder,  dass wir uns manchmal zu wenig zutrauen im Leben und wir ungewöhnliches einfach wagen sollten und uns auch von anderen nicht einreden lassen sollten, dass wir etwas nicht schaffen können. Denn ob wir es schaffen, können wir erst wissen, wenn wir es ausprobiert haben! 
Ich kann sagen, das war definitiv die beste Reise meines Lebens und auch die lehrreichste! 
In den kommenden Tagen und Wochen, werde ich mit Sicherheit oft an meine Erlebnisse zurück denken. Vieles wird sich erst nach und nach setzen. Ich bin dankbar darüber, dass ich diese Reise machen konnte, dass ich sie heil und ohne größere Blessuren überstanden habe, für all die lieben Menschen, die mir begegnet sind, für das grandiose Wetter, die traumhafte Alpenkulisse, für alles was ich lernen und erfahren durfte. Hinter mir liegen 11 Tage, 
155 Kilometer, 9.145hm Aufstieg, 8.570hm Abstieg. 
Jetzt liege ich in meinem Hotelbett in Meran und frage mich, ob mir morgen das wandern fehlen wird?! 
Das war auf jeden Fall nicht mein letzter Wanderurlaub! 
Damit schließe ich jetzt meinen Reisebericht über den E5 ab. 
Super schön war’s, aber auch verdammt anstrengend ;-)! 

Viele liebe Grüße 


Eure Nadine 

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